„Mit COPD spürst du Therapietreue jeden Moment“
Interview mit Marianne Mutti, 70
aus Holderbank (SO).
Erhielt 2011 die Diagnose COPD.
Marianne Mutti ist eine von etwa 2,2 Millionen Menschen in der Schweiz, die chronisch erkrankt sind. Sie lebt mit der „chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung“, auch „COPD“ genannt. Marianne Mutti erhielt 2011 die Diagnose und erlebte seitdem viele Aufs und Abs. Im Interview erzählt sie, wie sie gelernt hat, die Krankheit anzunehmen und dank guter Beratung und Adhärenz heute ein erfülltes Leben führt.
Frau Mutti, vor Ihrer Diagnose COPD ging es Ihnen schon länger nicht gut. Wie würden Sie das beschreiben?
Marianne Mutti: Ich habe früher stark geraucht. Ab und zu Husten hatte ich eigentlich immer. Doch dann wurde es schlimmer. Mit jeder Zigarette kam ein starker Reizhusten. 2004 habe ich aufgehört. Die Atemnot nahm dennoch zu. Die körperliche Leistungsfähigkeit nahm stetig ab. Wandern, Radfahren, sogar Spazierengehen: Alles wurde beschwerlicher und immer weniger. Ich arbeitete als Lastwagenchauffeuse. Manchmal musste ich anhalten, weil ich kaum Luft bekam. Das waren schlimme Momente. Diese Panik, ich würde ersticken, werde ich nie vergessen. 2011 erhielt ich die Diagnose COPD.
Wie haben Sie darauf reagiert?
Ich war zuerst geschockt, aber auch nicht völlig überrascht. Denn ich wusste ja, dass mir das Rauchen schadet. Selbst schuld! Nun wurde mir klar: Ich musste mein Leben ändern. Ich hatte zuviel gearbeitet und Raubbau mit meiner Gesundheit betrieben. Ich nahm COPD als Weckruf, als letzte Chance.
Was nahmen Sie konkret in Angriff?
Zuerst wollte ich alles über COPD erfahren und besuchte Kurse der Lungenliga. Das hat mir sehr geholfen und nahm mir meine Ängste. Ich lernte, die Krankheit zu verstehen. Zum Beispiel dachte ich immer, mir drohe der Erstickungstod. Doch das Risiko ist die schleichende Zerstörung der Lunge. Das ist nicht heilbar, aber man kann den weiteren Verlauf mildern. Ich lernte auch, dass ich selbst eine Menge tun kann, um meine Lage zu verbessern, etwa viel Bewegung, bewusster essen, mehr Ruhe, Stressvermeidung. Ich beschloss, meine Zeit sinnvoll zu nutzen und ging in Frührente.
Wie verlief ihre Behandlung?
Zuerst erhielt ich Asthmaspray, um die Atemwege zu öffnen. Dazu ging ich in ein Reha-Programm zum Turnen. Bewegung ist ja so wichtig! Das ging eine zeitlang gut. Doch dann wurde es mit einer schweren Lungenentzündung richtig ernst. Ich hatte die höchste Krankheitsstufe erreicht. Seit 2015 erhalte ich etwa 21 Stunden am Tag Sauerstoff über eine „Nasenbrille“. Das Gerät trage ich in einem Rucksack.
Ist das für Sie belastend?
Anfangs war es störend. Doch man gewöhnt sich daran. Wenn man die Wahl hat – sterben oder zwei Schläuche in der Nase – ist der Fall klar. Manche genieren sich, weil es jeder sehen kann und ziehen sich zurück. Das macht einsam. Ich schätze es, wenn ich angesprochen werde: Was fehlt dir? Darüber zu reden, tut gut. So kann man sich offen begegnen. In meinem Freundeskreis stört sich niemand an der Nasenbrille. Sie gehört zu mir. Und der Rucksack, naja, der gehört halt auch dazu. Aber machen Sie mal eine Stunde Pilates mit einem Rucksack – da bin ich immer ganz schön fertig.
Es scheint, Sie halten sich genau an Ihren Behandlungsplan.
Ich fühle mich gut unterstützt von meinem Arzt und vom Beratungsteam der Lungenliga und achte konsequent auf ihre Empfehlungen. Bei COPD spürst du ja sofort einen Effekt, du hast Luft zum Atmen. Seitdem ist meine Lebensqualität stetig gestiegen. Heute geht wieder alles: Garten, E-Biken, Reisen, Pilates, Auto fahren. Dazu habe ich in der Selbsthilfegruppe interessante Menschen kennengelernt und pflege wertvolle Kontakte.
Was würden Sie rückblickend anders machen?
Sicher nicht Rauchen. Mehr Sport treiben, auf Ernährung und Gewicht achten, weniger arbeiten. Seit der Diagnose, so finde ich, mache ich eigentlich fast alles richtig. Durch die Krankheit bin ich auch kontaktfreudiger geworden. Ich bin glücklich damit, wie es heute ist.
Was raten Sie anderen Menschen mit chronischer Erkrankung?
Ich kann nur sagen, was mir gut tut: Die Krankheit annehmen, mich bewegen, die Therapie aktiv mitgestalten und das Gespräch mit Arzt, Fachleuten und anderen Betroffenen suchen. Selbsthilfegruppen der Lungenliga gibt es ja fast überall, das ist ein kleiner Schritt. Bloss nicht hadern und sich zurückziehen! Mein Motto: Das Beste aus allem machen.
Marianne Mutti auf Reisen
Adhärenz: Ihr Schlüssel zu besserer Gesundheit
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Was ist COPD?
Die chronisch-obstruktive Lungenerkrankung oder „,COPD“ (Englisch: "Chronic Obstructive Pulmonary Disease"), ist eine langsam fortschreitende Atemwegserkrankung.
COPD umfasst zwei Hauptveränderungen in der Lunge:
Chronische Bronchitis: Hierbei entzünden sich die Atemwege, und es kommt zu einer erhöhten Schleimproduktion. Dies führt zu einer Verengung und Blockierung der Luftwege, was das Atmen erschwert. Husten und häufiger Auswurf von Schleim sind typische Symptome.
Emphysem: Bei dieser Erkrankung werden die Alveolen (die kleinen Lufträume in der Lunge, in denen die Sauerstoffaufnahme in die Blutwege stattfinden) beschädigt und verlieren ihre Elastizität. Das führt dazu, dass die innere Oberfläche der Lunge, die für den Austausch von Sauerstoff und Kohlendioxid verantwortlich ist, abnimmt. Dadurch wird der erwähnte Gasaustausch vermindert und zusätzlich das Ausatmen der Luft aus der Lunge erschwert.
Ursache ist vor allem langjähriges Rauchen und - seltener - das Einatmen von Schadstoffen (z.B. Abgase, Feinstaub, Chemikaliendämpfe).
Typische Symptome sind Auswurf, Husten und Atemnot („AHA-Symptome‘‘). Betroffen sind meist die über 40-Jährigen.
In der Schweiz leiden ungefähr 400 000 Menschen an COPD.
COPD ist nicht heilbar, doch je früher sie erkannt wird, desto besser lässt sie sich behandeln. Die Krankheit lässt sich gut mit Medikamenten behandeln. Bei fortgeschrittener COPD wird eine dauerhafte Sauerstoff-Therapie notwendig.
Die Adhärenz der Betroffenen kann die Erkrankung sehr vorteilhaft beeinflussen. Gute Betreuung durch den Arzt, Patientenschulungen und die spürbaren Erfolge im Alltag motivieren Betroffene, an der Therapie mitzuwirken.
Die Lungenliga
Seit über 120 Jahren setzt sich die Lungenliga dafür ein, dass Menschen mit Lungen- und Atemwegserkrankungen möglichst selbstständig und ohne Beschwerden leben können. Sie besteht aus 17 kantonalen und regionalen Lungenligen, den Verbandsgremien sowie der nationalen Geschäftsstelle. Die Lungenliga begleitet über 114 000 Patientinnen und Patienten an 61 Standorten in der ganzen Schweiz.
Bildquellen:
Bild 1,2 und3 - Andreas Zimmermann
Bilder Marianne Mutti auf Reisen - Marianne Mutti